Die Kunst der Kommunikation von Anita Kahler-Ehrlich und Jörn Ehrlich
Die Kunst der Kommunikation
„Wir können nicht nicht kommunizieren“, war eine der grundlegenden Annahmen von Paul Watzlawick - einer der ganz großen Kommunikationsexperten der Neuzeit.
Sobald wir aufeinander treffen, teilen wir uns mit – auch wenn wir nichts sagen. Wir tun das mimisch, gestisch und eben auch mit Worten. Worte, der Klang unserer Stimme und Körpersprache gehen Hand in Hand. In den meisten Fällen sind uns jedoch unsere Kommunikationssignale, die wir senden, nicht bewusst. Deshalb wundern wir uns auch hin und wieder über die Reaktionen, die wir beim Kommunikationspartner hervorrufen.
„Der Akt der Kommunikation“ ist hoch komplex. Bewusste erfolgreiche Kommunikation verlangt viel Fingerspitzengefühl und eine gute Wahrnehmungsfähigkeit. Kommunikation ist eine Kunst!
Als Coach und Trainer treffen wir jährlich hunderte von Menschen, die sich meistens aus beruflichen Gründen weiter entwickeln wollen. Wir beraten Menschen, deren beruflicher Erfolg von gelungener Kommunikation abhängt. Wir möchten Ihnen an dieser Stelle einige zentrale praktisch-psychologische Tipps zur Verbesserung des eigenen Kommunikationsverhaltens vorstellen. Sozusagen „Aus der Praxis für die Praxis“. Vielleicht mögen Sie ja den einen oder anderen Tipp in einem Ihrer nächsten Gespräche mit berücksichtigen.
Nicht wir machen Erfahrungen – sondern die Erfahrungen machen uns
Jeder Mensch auf dieser Welt verarbeitet seine individuellen Erfahrungen auf eine höchst subjektive, einzigartige Weise. Im Laufe des Lebens entwickelt sich so für jeden von uns ein einmaliges Modell der Welt - die sogenannte innere Landkarte. Diese innere Landkarte hilft, sich in den jeweiligen Lebensanforderungen zurecht zu finden.
Wenn zum Beispiel ein Förster durch den Wald geht, achtet er auf andere Dinge als ein Künstler, Eskimos haben die Fähigkeit 20 verschiedene Sorten von Schnee zu unterscheiden, Kinder bewegen sich auf andere Art durch die Welt als Erwachsene. Deutsche haben einen anderen Blick auf das Leben als zum Beispiel Afrikaner oder Asiaten. Die „Wirklichkeit“ des Chefs wird sich erheblich von der seiner Mitarbeiter unterscheiden. Wir sind geprägt von unseren Eltern, von aktuellen Umwelteinflüssen, von Werten, Glaubenssätzen und individuellen Erfahrungen. Im Alltag oder in beruflichen Gesprächssituationen wird dieser Aspekt jedoch selten berücksichtigt.
Wenn Sie beginnen, diesen psychologischen Umstand in Ihrem Gesprächsverhalten mit zu berücksichtigen, dann werden Sie den Kontakt zu Anderen auf eine neue Weise gestalten. Anstatt voreilig zu behaupten, dass das eigene Modell der Wirklichkeit das einzig wahre (beste, logischste, attraktivste, richtige, ...) ist, macht es Sinn, sich zunächst für die Weltsicht des anderen zu öffnen und neugierig für fremde Sichtweisen zu werden.
Wertschätzung und Anerkennung: Stärken Sie die Beziehungsohren
In der Kommunikation unterscheidet man zwischen Sach- und Beziehungs-Ebene. Ein Gespräch verläuft grundsätzlich auf diesen beiden Ebenen. Während auf der Sach-Ebene Informationen über ein Thema ausgetauscht werden, senden und empfangen die Gesprächspartner gegenseitig permanent Botschaften, die verdeutlichen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen.
Sach- und Beziehungs-Ebene verhalten sich zueinander, wie ein Eisberg, der aus dem Wasser ragt. Lediglich 1/7 der Eismassen – der Sachinhalt – sind sichtbar und damit bewusst, während sich die restlichen 6/7 – die Beziehungsebene – unterhalb der Oberfläche befinden und sich damit meist dem Bewusstsein entziehen. Ein Großteil Ihres Kommunikationserfolgs hängt davon ab, wie gut Sie in der Lage sind, die Beziehungsebene bewusst wahrzunehmen und positiv zu gestalten: Positiv heißt in diesem Fall wertschätzend und anerkennend: Wertschätzung des Menschen inklusive seiner persönlichen inneren Landkarte und Anerkennung seiner – vielleicht anderen - Meinung. So wird in den allermeisten Fällen ein Klima entstehen, in dem sachliche Themen wesentlich schneller, souveräner und mit positivem Ergebnis für alle Beteiligten ausgetauscht werden können.
Sich selbst und andere zu Gewinnern machen
Neueste neurobiologische Forschungen zeigen, dass der Mensch auf positive Beziehungsgestaltung angelegt ist. Sämtliche Belohnungs- und Motivationssysteme unseres Gehirns springen an und schütten körpereigenen Wohlfühldrogen aus, wenn wir mit anderen gemeinsam etwas tun; wenn wir kooperieren. Wir brauchen die Mitwelt, um zu wachsen. Kommunikationsziele darauf auszurichten, dass alle Beteiligten positiv berücksichtig werden sind maßgeblich für nachhaltigen Erfolg. Wir sprechen dabei von einer Win-Win-Haltung oder vom Gewinner-Gewinner-Modell. Deshalb: Richten Sie Ihre Wahrnehmung positiv aus! Fragen Sie sich, wo liegen unsere Gemeinsamkeiten? Was verbindet uns? Was kann der andere gut? Was kann ich von diesem Menschen lernen? Worin könnte dessen Beitrag liegen? Dies stärkt die Beziehung und öffnet den anderen. Ein Geheimnis, das gute Kommunikatoren oft instinktiv beherrschen.
Fragen lenken das Denken – und öffnen Welten
Ein guter Kommunikator ist in der Lage, zielgerichtet Fragen zu stellen. Jede Frage löst einen inneren Suchprozess aus. Damit können Sie den Fokus eines Gesprächs lenken und beeinflussen. Es macht einen Unterschied, ob Sie jemanden nach seinen aktuellen Problemen befragen oder nach seinen kürzlich erzielten Erfolgen. Der emotionale Zustand wird sich jeweils stark unterscheiden. Machen Sie sich klar, in welche Richtung das Gespräch laufen soll und richten Sie danach Ihre Fragen aus. Die Qualität Ihrer Fragen beeinflusst die Qualität der Antwort.
Alle hervorragenden Führungskräfte, Top-Verkäufer und gute Berater wissen, wie wichtig es ist, sich genug Zeit für Fragen zu nehmen, um ein umfangreiches Verständnis für die Bedürfnisse, Motive und Anliegen ihrer Gesprächspartner zu erhalten. Seien Sie neugierig und öffnen Sie mit Fragen das Tor zum Modell der Welt des anderen! Sie helfen, ein Gespräch zu lenken und zu vertiefen. Und außerdem stärken Fragen das Selbstwertgefühl des Gefragten - wer wird nicht gern nach seiner Meinung gefragt?!
Heute schon gelobt?
Das Bedürfnis nach Anerkennung der eigenen Leistung und nach Wertschätzung der eigenen Person ist eine riesige Quelle der Motivation. Ein Lob stärkt die Beziehungsebene. Wer gelernt hat, sich selbst und andere für ihre (großen und kleinen) Leistungen zu loben, verbessert auch das Selbstwertgefühl. Daher empfiehlt es sich, hin und wieder zu überprüfen, in welche Richtung Sie Ihre Wahrnehmung ausrichten. Achten Sie verstärkt auf die positiven oder auf die negativen Aspekte Ihrer Mitmenschen?
Wir möchten Sie zu einem „Selbstversuch“ einladen: verteilen Sie „verbale Bonbons“: Achten Sie jeden Tag für einige Zeit ganz bewusst darauf, was Sie selbst und Ihre Mitmenschen oder Kollegen Lobenswertes vollbringen und bringen Sie dies zur Sprache! Sie werden erstaunt sein, wie viel Anlässe sich bieten werden, um ein aufrichtiges Lob auszusprechen. Achten Sie auch darauf, welche Reaktionen Sie damit auslösen.
Tipps in der Zusammenfassung
- Erforschen Sie die „Landkarte“ der anderen, anstatt diese gleich zu bewerten
- Richten Sie Ihre Wahrnehmung in der Kommunikation positiv aus
- Betonen Sie Gemeinsamkeiten
- Bauen Sie Vertrauen auf und stärken Sie die Beziehungsebene
- Ihre Fragen beeinflussen den Gesprächsverlauf
- Fragen Sie mehr - Seien Sie neugierig auf das Modell der Welt Ihrer Mitmenschen
- Verschieben Sie Ihren Wahrnehmungsfokus auf das Positive beim Gegenüber
- Loben Sie mehr – Am besten täglich
- Fangen Sie noch heute an zu üben